Interaktives Lernelement - Forschungsmethoden und Statistik
Basierend auf: Sedlmeier & Renkewitz (2013)
Willkommen zum interaktiven Lernelement!
In diesem Modul erkunden wir gemeinsam die häufigsten Denkfehler und Täuschungen, denen wir im Alltag unterliegen. Die Alltagspsychologie führt uns oft in die Irre - lernen Sie, diese Fallstricke zu erkennen und zu vermeiden!
Was Sie erwartet:
Fehler beim Wahrnehmen - Wie uns unsere Sinne täuschen
Fehler beim Erinnern - Warum unser Gedächtnis nicht wie ein Computer funktioniert
Fehler beim logischen Denken - Die Wason-Aufgabe und andere Denkfallen
Fehler beim Umgang mit Wahrscheinlichkeiten - Intuition vs. Mathematik
Was glauben Sie: Wie verlässlich ist unsere Alltagspsychologie?
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Tatsache: Unsere Alltagspsychologie ist systematisch verzerrt! In diesem Kurs lernen Sie die wichtigsten Verzerrungen kennen.
Fehler beim Wahrnehmen
Nehmen wir die Welt so wahr, wie sie ist? Das scheint zumindest manchmal nicht der Fall zu sein. Wie sehen Sie die folgenden Linien?
Die Müller-Lyer-Täuschung
Welche Linie erscheint Ihnen länger?
Die obere Linie
Beide sind gleich lang
Die untere Linie
Die Perspektiven-Information
Eine gängige Erklärung ist, dass wir bei Abbildungen dieser Art automatisch die Perspektiven-Information berücksichtigen, die in den Pfeilen an den Enden der waagerechten Striche gegeben wird. Die Perspektiven-Information deutet an, dass es sich beim oberen Strich um den hinteren Rand und beim unteren Strich um den vorderen Rand eines Objekts handeln könnte – der obere Strich müsste also weiter von uns entfernt sein als der untere.
Unser Wahrnehmungssystem scheint diese angedeutete Entfernungs-Information automatisch mit zu verrechnen.
Das Kanizsa-Dreieck
Sehen Sie das weiĂźe Dreieck?
Das Kanizsa-Dreieck: Die meisten Menschen sehen hier zwei Dreiecke: ein weißes Dreieck ohne Rand, das über einem weißen Dreieck mit einem schwarzen Rand liegt. Keines der beiden Dreiecke ist aber tatsächlich vorhanden. Alles was die Zeichnung enthält, sind drei Winkel und drei schwarze „Törtchen". Wir ergänzen Informationen! Auch das ist im Alltag sehr hilfreich, weil Objekte oft durch andere verdeckt sind und wir sie durch diese Ergänzen unseres Wahrnehmungssystems doch erkennen können.
Fehler beim Erinnern
Eine im Alltag verbreitete Vorstellung ist, dass unser Gedächtnis so ähnlich funktioniert wie ein Tonband, ein Fotoapparat oder eine Filmkamera: Wenn wir uns erinnern, dann rufen wir aus einer Art Speicher das ab, was wir gesehen, gehört oder gedacht haben.
Die Wahrheit über unser Gedächtnis
Das ist, wie man mittlerweile weiß, jedoch eher selten der Fall. Meist rufen wir unsere Vergangenheit nicht ab, sondern rekonstruieren sie. Dabei kann unsere Erinnerung in vielfältiger Weise beeinflusst werden:
Einfluss von Information, die wir vor dem Erinnern erhalten
Einfluss unserer „impliziten Theorien"
Vorstellungen und Erwartungen, die wir zu bestimmten Gegenstandsbereichen haben
Der RĂĽckschaufehler-Test
Stellen Sie sich vor: Ein Teilnehmer in einer Studie sollte ein Urteil abgeben (z.B. „2,3" auf einer Skala). Später wurde er gebeten, sich an sein ursprüngliches Urteil zu erinnern. Zwischenzeitlich erfuhr er, dass das tatsächliche Ergebnis „2,0" war.
Was glauben Sie: An welchen Wert wird sich der Teilnehmer tendenziell erinnern?
Genau an 2,3 (sein ursprĂĽngliches Urteil)
An einen Wert zwischen 2,0 und 2,3
An 2,0 (das wahre Ergebnis)
An einen höheren Wert als 2,3
Falsche Erinnerungen mit Konsequenzen
Die Informationen, die wir bei der Rekonstruktion von Gedächtnisinhalten benutzen, müssen nicht immer so klar sein wie etwa die Information, dass das tatsächliche Ergebnis in der Klausur eine 2,0 war. Manchmal sind Zusatzinformationen auch in der Art und Weise versteckt, wie jemand eine Befragung durchführt.
Beispiel: Vor allem wenn sich die Befragten nicht sicher sind, können subtile Informationen in der Frage den Abruf (und auch die Neukonstruktion) von Gedächtnisinhalten beeinflussen.
Fehler beim logischen Denken
Ist logisches Denken schwierig? Einige Befunde aus der psychologischen Urteilsforschung legen diese Schlussfolgerung nahe. Hier ist ein Beispiel – eine Variante einer bekannten Aufgabe (bekannt unter der Bezeichnung „Wason-Aufgabe") zum logischen Denken.
Die Wason-Aufgabe
Sie haben vier Karten vor sich. Alle Karten sind auf der einen Seite mit einem Buchstaben und auf der anderen Seite mit einer Zahl beschriftet.
E
?
1
?
F
?
2
?
Regel: "Wenn auf der einen Seite der Karte ein Konsonant ist, ist auf der anderen Seite eine ungerade Zahl."
Welche Karte(n) mĂĽssen Sie umdrehen, um zu ĂĽberprĂĽfen, ob diese Regel verletzt wurde?
Die Lösung
Die Lösungsraten bei Aufgaben dieser Art sind nicht sehr hoch – nur etwa 20% der Befragten kommen auf die richtige Lösung.
Richtig ist: Man muss die Karte mit dem „F" und die mit der „2" umdrehen.
Zusammenfassung: Die Regel besagt „Wenn Konsonant, dann ungerade Zahl". Um zu prüfen, ob die Regel verletzt wird, müssen wir:
F umdrehen: F ist ein Konsonant. Wenn auf der RĂĽckseite eine gerade Zahl steht, ist die Regel verletzt.
2 umdrehen: 2 ist eine gerade Zahl. Wenn auf der RĂĽckseite ein Konsonant steht, ist die Regel verletzt (denn Konsonanten sollten nur mit ungeraden Zahlen gepaart sein).
Die Karten E und 1 müssen nicht geprüft werden, da sie die Regel unter keinen Umständen verletzen können.
Die Alltagspsychologie-Falle: Logik wird oft als Bindeglied zwischen verschiedenen zusammengehörenden Aussagen benutzt, die dann insgesamt eine Theorie ergeben. Wenn die Anwendung logischer Schlussfolgerungen fehlerhaft ist – und das scheint im Alltag manchmal der Fall zu sein –, dann hat das natürlich auch Auswirkungen auf eine entsprechende alltagspsychologische Theorie.
Fehler beim Umgang mit Wahrscheinlichkeiten
Wir haben gesehen, dass wir nicht immer sicher sein können, dass sich das, woran wir uns erinnern, auch genauso ereignet hat. Noch schlimmer steht es mit Vorhersagen: Bei genauerer Betrachtung müssen wir feststellen, dass wir kaum etwas mit absoluter Sicherheit vorhersagen können.
Wie gut sind wir im Umgang mit Wahrscheinlichkeiten?
Oft hilft es aber, zumindest über die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Ereignis eintritt, gut Bescheid zu wissen. Wie gut sind wir im Umgang mit solchen Wahrscheinlichkeiten? Unter bestimmten Bedingungen scheinen wir auch dabei recht fehleranfällig zu sein.
Aufgabe 1: Der SchĂĽler mit der Vier
Ein SchĂĽler hat im Abschlusszeugnis in Mathematik die Note Vier erzielt.
Welche der folgenden Aussagen trifft für ihn mit größerer Wahrscheinlichkeit zu?
a) Er hatte eine Sechs in Mathe im Halbjahreszeugnis.
b) Er hatte eine Sechs in Mathe im Halbjahreszeugnis, hat aber im zweiten Halbjahr Nachhilfe in Mathe erhalten.
Aufgabe 2: Die promovierte Frau
Welches der folgenden Ereignisse ist wahrscheinlicher?
a) Eine Hausfrau hat promoviert.
b) Eine promovierte Frau ist Hausfrau.
c) Beides ist gleich wahrscheinlich.
Die Konjunktionsfalle
Diese Aufgaben demonstrieren einen klassischen Denkfehler beim Umgang mit Wahrscheinlichkeiten.
Die häufigste (falsche) Antwort: Die meisten Menschen wählen Antwort c) - dass beide Ereignisse gleich wahrscheinlich sind.
Die richtige Antwort ist b): "Eine promovierte Frau ist Hausfrau" ist wahrscheinlicher!
Warum ist das so?
Denken Sie an zwei Gruppen: alle Hausfrauen und alle promovierten Frauen
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gewählte Hausfrau promoviert hat, ist relativ klein (sagen wir 2%)
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gewählte promovierte Frau Hausfrau ist, ist deutlich höher (vielleicht 15-20%)
Der Grund: Es gibt viel mehr Hausfrauen als promovierte Frauen insgesamt
Die Konjunktionsfalle erklärt: Unser Gehirn verwechselt oft die Richtung der Wahrscheinlichkeit. Wir denken intuitiv "Hausfrau mit Doktortitel" und "Doktorin als Hausfrau" sei dasselbe - ist es aber nicht! Die Basisraten (wie viele Hausfrauen vs. promovierte Frauen es gibt) spielen eine entscheidende Rolle.
Alltagsbeispiel: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Basketballspieler ĂĽber 2 Meter groĂź ist, ist hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine ĂĽber 2 Meter groĂźe Person Basketballspieler ist, ist dagegen sehr gering - weil es insgesamt viel mehr groĂźe Menschen als Basketballspieler gibt!
Abschlussquiz: Testen Sie Ihr Wissen!
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Frage 1: Wahrnehmung
Bei der Müller-Lyer-Täuschung nehmen wir unterschiedliche Linienlängen wahr, weil...